Wandern ist harmlos. Oder doch nicht? Wie alles andere im Leben ist auch eine Wanderung mit Risiken verbunden. Diese mögen geringfügig sein, doch inexistent sind sie nicht. Wenn dann trotzdem etwas passiert, stellt sich sogleich die Frage, wer die Verantwortung dafür trägt.
Bei einem Misstritt auf der grünen Wiese oder im Geröll scheint der Fall klar: Die verursachende und die leidtragende Person sind identisch, man hat halt Pech gehabt, hätte besser aufpassen sollen etc., es geht ja schliesslich um Selbstverantwortung. Heikler wird es, wenn der Vorfall sich an einem Ort abspielt, dessen Zugänglichkeit durch ein Bauwerk erleichtert oder sogar überhaupt erst ermöglicht wird. Wenn eine Brücke einstürzt oder ein Geländer nachgibt, haftet nicht die zu Schaden kommende Person, sondern die Instanz, die das Bauwerk erstellt hat. Zum Beispiel die Gemeinde, auf deren Gebiet der fragliche Wanderwegabschnitt verläuft.
Es gibt zwei Möglichkeiten, um von der Choruderri oberhalb Ausserberg ins Baltschiedertal zu gelangen. Die eine ist ebenso harmlos wie langweilig – es geht durch einen Tunnel. Die andere ist spektakulär und anspruchsvoll. Sie führt über den schmalen Pfad, der die Niwärch-Suone säumt. Dabei geht es nicht nur teilweise senkrechten Felswänden entlang, sondern zuweilen auch auf schmalem Band über Abgründe hinweg, die mehrere Dutzend Meter tief sind. Wer hier das Gleichgewicht verliert, stürzt ins Verderben. Deshalb sind verschiedene (aber nicht alle) prekäre Passagen mit Seilen ausgestattet, an denen man sich festhalten kann. Das macht den Suonenweg letztlich bereits zum Bauwerk. Die zuständige Gemeinde versucht sich aus der Verantwortung zu stehlen, indem sie am Wegrand auf einer Tafel festhält: «Niwärch – auf eigene Verantwortung». Bleibt zu hoffen, dass alle Benutzerinnen und Benutzer dieses einmalig schönen Wegs sowohl ausreichend trittsicher als auch restlos schwindelfrei sind, so dass sie den Abschnitt schadlos bewältigen können. Dann können auch die Gemeindeverantwortlichen sorglos bleiben und brauchen sich nicht mit allfälligen juristischen Gedankenspielen herumzuschlagen.